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Fernwärmeausbau in Hannover

Vernetzte Wärme, die das Klima schützt

Mit grüner Fernwärme können Städte ihre CO₂-Emissionen deutlich senken und unabhängiger von Gas werden. In Hannover machen Stadt und enercity diese Vision wahr. Über einen Kraftakt, von dem alle profitieren.

Wenn Marwan Youssef und sein Team anrücken, stehen wortwörtlich tiefgreifende Veränderungen an. Youssef ist technischer Leiter bei Tiefwerk, einem Unternehmen, das Rohrleitungen verlegt. Rohrleitungen – das klingt so simpel, aber hinter dem Begriff verstecken sich letztlich die Lebensadern einer Stadt. Diese Adern bestehen aus zwölf Meter langen Rohrstücken – und die müssen in die Erde. „Wir wollen die Anwohner so wenig wie möglich stören“, erklärt Youssef. Dafür arbeiten in jedem Bauabschnitt viele Gewerke Hand in Hand: Auf den Aushub des Grabens folgt das Verlegen und Verschweißen der Rohre, die auf Dichtheit geprüft werden; dann werden die Schweißnähte isoliert, um möglichst viel Wärme in den Rohren zu halten, und zum Schluss wird der Graben wieder geschlossen.

Ein Hausanschluss an die Fernwärme dauert etwa anderthalb Monate, größere Projekte entsprechend länger. „Das ist eine große Herausforderung für uns“, sagt Youssef. Er ist stolz auf seine Arbeit – denn sie ist ein entscheidender Schritt in Hannovers klimaneutrale Zukunft.

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Fernwärme: Bewährte Technologie mit großem Potenzial

Die Fernwärmetechnologie gibt es schon lange. Nun gewinnt der Ansatz an Bedeutung, die Wärme aus erneuerbaren Energien zu gewinnen – und damit die CO₂-Emissionen, die das Heizen ansonsten verursacht, künftig zu vermeiden. Für Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, ist der Ausbau grüner Fernwärme in den Städten ein wichtiger Hebel für die Energiewende in Deutschland. Denn sie ermöglicht die flächendeckende Abkehr ganzer Stadtgebiete – und damit Tausender Wohnungen – von klimaschädlichen, auf fossilen Brennstoffen basierenden Heizungsanlagen. Auch die Vorgabe des Gesetzgebers, dass bundesweit ab 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent ohne fossile Energie betrieben werden muss, lasse sich gerade in dicht bebauten innerstädtischen Gebieten am besten über die Umstellung auf Fernwärme erfüllen, so Energieexperte Quaschning. Das gesamte Interview mit dem Energieexperten lesen Sie hier.

Hannover wird bis 2035 klimaneutral

Auch die Stadt Hannover setzt bei ihrem Vorhaben, bis 2035 klimaneutral zu werden, auf Fernwärme. Schon heute hat diese mit 75,5 Gramm CO₂-Ausstoß pro Kilowattstunde (g/kWh) einen relativ geringen Emissionsfaktor. Zum Vergleich: Der Brennstoff Gas verursacht CO₂-Emissionen von mehr als 200 g/kWh. Die geplante Abschaltung des Kohlekraftwerks Hannover-Stöcken wird diese Klimabilanz weiter verbessern. Mit jeder neuen Anlage, die das Kohlekraftwerk ersetzt – egal ob Großwärmepumpe Biomasse-Kraftwerk, Abfall- oder Klärschlammverwertung –, steigt der Anteil grüner Wärme im enercity-Fernwärmenetz. Im Jahr 2025 soll der Anteil erneuerbarer Fernwärme schon 50 Prozent, im Jahr 2027 sogar 75 Prozent betragen.

„Doppelte Infrastruktur verursacht doppelte Kosten. Je weniger Gas- und Fernwärmenetze wir parallel betreiben, desto besser für Hannover.“

Dr. Susanna ZaprevaVorstandsvorsitzende enercity

Damit wird klimaschonende Fernwärme künftig eine zentrale Rolle bei der innerstädtischen Wärmeversorgung spielen. Zu diesem Zweck hat der Rat Ende September eine Satzung beschlossen, die in bestimmten Stadtgebieten zum Fernwärmeanschluss verpflichtet.

enercity baut das Fernwärmenetz in diesen Gebieten massiv aus – ein Projekt in nie dagewesener Größenordnung für den Energiedienstleister. Etwa 20 Jahre und bis zu eine Milliarde Euro an Investitionen sind dafür geplant. Für enercity-Chefin Dr. Susanna Zapreva trotz aller Herausforderungen der richtige Weg: „Wir brauchen die Fernwärme. Für den Klimaschutz, für die Unabhängigkeit vom Gas und um Hannover wirtschaftlich zukunftssicher aufzustellen.“ Denn, so Zapreva weiter: „Doppelte Infrastruktur verursacht doppelte Kosten. Je weniger Gas- und Fernwärmenetze wir parallel betreiben, desto besser für Hannover.“

Eine Karte der neuen Fernwaermesatzungsgebiete in Hannover.
Die orangenen Flächen kennzeichnen das Gebiet der Fernwärmesatzung. Attraktive Wärmelösungen wie etwa umweltfreundliche Wärmepumpen bietet enercity in allen Stadtgebieten an.

Hannovers neue Fernwärmesatzung

Am 29. September 2022 hat der Rat der Landeshauptstadt Hannover den Erlass einer Fernwärmesatzung für die Stadt beschlossen. Sie soll den Ausbau klimafreundlicher Fernwärme und die Abkehr von alten, auf fossilen Brennstoffen basierenden Heizsystemen beschleunigen. Die Satzung tritt im Januar 2023 in Kraft. Wer von diesem Zeitpunkt an eine neue Heizung anschafft oder eine bestehende Heizungsanlage wesentlich erneuert, ist in bestimmten Stadtgebieten dazu verpflichtet, auf Fernwärme umzustellen. Kleinere Gebäude mit einer Gesamtnennwärmeleistung von 25 Kilowatt fallen nicht unter die Anschlusspflicht, auch für umweltfreundliche Heizsysteme wie Wärmepumpen gibt es Ausnahmemöglichkeiten.

Finden Sie heraus, ob Ihre Immobilie im Gebiet der Fernwärmesatzung liegt: 
 

50 Jahre störungsfrei mit Fernwärme geheizt

Einer, der diese Vision teilt, ist Guntram Willner aus Hannover-Leinhausen. Als er mit seiner fünfköpfigen Familie in den 1970er-Jahren ein Reihenhaus kaufte, habe man sich über die Art der Heizung noch keine Gedanken gemacht, gesteht er. Das Haus war schon beim Kauf mit einem Fernwärmeanschluss ausgestattet, „aber wir haben erst im Laufe der Jahre bemerkt, welches Glück wir damit haben.“ Der pensionierte Eisenbahner schätzt Fernwärme als saubere, sichere und wartungsarme Heizungslösung. In fast 50 Betriebsjahren hatte er keine einzige Störung zu beklagen: „Ich muss mich um meine Heizung wirklich überhaupt nicht kümmern.“ Die Gastherme seiner Tochter dagegen verursache öfter mal Aufwand, sei es durch nötige Wartungen, sei es durch Ausfälle. „Dann dauert es schon mal ein paar Tage, bis jemand kommt.“ Diese Probleme habe er mit der Fernwärme von enercity nie gehabt. „Bei einem großen, gut laufenden Unternehmen zu sein, das hier vor Ort und jederzeit ansprechbar ist, gibt mir als Kunde ein sicheres Gefühl.“

2,0
als Schulnote
gaben Fernwärmekunden ihrem Heizsystem in einer Studie 2019 – der Spitzenplatz in puncto Kundenzufriedenheit.

Willner begrüßt auch die Wärmewende-Strategie von Stadt und enercity. Er und seine Frau legen Wert darauf, umweltbewusst zu leben, reisen mit der Bahn und bereiten gerade mit enercity die Installation einer PV-Anlage auf ihrem Hausdach vor. Die Ausweitung des Fernwärmenetzes und die Umstellung auf grüne Fernwärme seien eine große Aufgabe für die Menschen der Stadt, sagt Willner. Doch er ist fest davon überzeugt, dass enercity und Hannover mit dem Vorhaben auf dem richtigen Weg sind: „Wir tragen das mit, für die Umwelt. Die Richtung stimmt.“

Fernwärme rechnet sich

Zu den Pluspunkten beim Klimaschutz gesellen sich bei der Fernwärme auch finanzielle Vorteile: „Schon jetzt treffen uns die Erhöhungen der Gaspreise nicht so stark“, erklärt Willner. Perspektivisch werden sich sogar weitere Vorteile ergeben: Denn wer mit Gas heizt, zahlt seit 2021 die von der Bundesregierung erhobene CO₂-Steuer. Diese ist fester Bestandteil des Gaspreises und steigt bis 2025 schrittweise auf 55 Euro pro ausgestoßener Tonne CO₂. Beim Umstieg von Gas auf Fernwärme ergeben sich langfristig also deutliche Kostenvorteile.

Natürlich stehen diesen Kostenvorteilen anfängliche Investitionen gegenüber. Wer vor der Entscheidung steht, sein Heizsystem zu erneuern, muss für einen Fernwärmeanschluss aber nicht tiefer in die Tasche greifen als für andere Lösungen: „Die Kosten für den Fernwärmeanschluss sind vergleichbar mit dem Preis einer neuen Gasheizung“, versichert Julia Naber, Fernwärme-Expertin bei enercity. Der konkrete Preis hänge von der benötigten Leistung und den örtlichen Gegebenheiten ab. „Wir haben errechnet, dass es bei etwa 3000 Euro pro Wohnung in Gebäuden mit Zentralheizung losgeht und – je nach Installationsaufwand – bis zu 8000 Euro pro Wohnung mit Gasetagenheizung kosten kann“, so Naber.

Unterstützung für Immobilienbesitzer beim Fernwärmeanschluss

Für ein Mehrfamilienhaus mit zehn Wohneinheiten und einer Gaszentralheizung belaufen sich die anfänglichen Investitionen also auf rund 30.000 Euro. Über die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) können die Immobilieneigentümer Förderungen von bis zu 25 Prozent des Investitionswertes beantragen. Dieser umfasst die Errichtung, den Umbau oder die Erweiterung der Heizanlage ebenso wie die Entsorgung des Altgeräts. enercity unterstützt Kundinnen und Kunden bei der Antragsstellung. 

6,1
Millionen
Häuser und Wohnungen in Deutschland werden laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft mit Fernwärme beheizt. Mit rund 30.000 Kilometern Gesamtlänge besitzt die Bundesrepublik eines der längsten Fernwärmenetze in Europa.

Wer zudem eine alte Öl-, Kohle- oder Gasheizung ablöst, kann sich unter Umständen weitere zehn Prozent Förderung durch das BAFA sichern. „Rechnet man dann noch die zehn Prozent Fördersumme des enercity-Fonds proKlima hinzu, sind Förderungen von bis zu 45 Prozent des Investitionswertes für den Fernwärmeanschluss möglich“, rechnet Naber vor. Eine Übersicht über aktuelle Förderprogramme von KfW, BAFA, proKlima und Co. finden Sie im Artikel: Wo gibt es Zuschüsse für die energetische Sanierung?

Für den Fall, dass die alte Heizung nicht mehr funktionstüchtig und Fernwärme noch nicht verfügbar ist, bietet enercity Immobilienbesitzern eine praktische Lösung – die Pop-up-Heizung. Hierbei installiert enercity eine Heizanlage, die der Kunde mietet, bis der Fernwärmeanschluss verfügbar ist. Um den Auf- und Abbau der Anlage kümmert sich enercity ebenso wie um die Wartung. Der Kunde zahlt mit Inbetriebnahme der Pop-up-Heizung schon den Fernwärmepreis.
 

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Klimafreundliche Wärmepumpen als Fernwärme-Alternative

Wer in Hannover nicht von den Vorteilen der Fernwärme profitieren kann, für den bietet enercity alternative Wärmeprodukte für die private und gewerbliche Nutzung an. Besonders klimafreundlich sind Wärmepumpen, die es inzwischen in vielen Varianten gibt. Für private Haushalte eignen sich meist Außenluft- oder Erd-Wärmepumpen. „Wenn möglich, empfehlen wir eine Erd-Wärmepumpe, da diese unabhängig von der Außentemperatur das ganze Jahr eine gleichbleibende Effizienz hat“, sagt Mario Merner, Abteilungsleiter Kundenlösungen Wärme bei enercity.

Auch die Anschaffung einer Wärmepumpe wird durch das BAFA sowie die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gefördert. Vorausgesetzt, das Gebäude ist entsprechend gedämmt und die Wärmepumpe entspricht den Förderrichtlinien, ist die Investition in eine Wärmepumpe dadurch mit den Kosten einer fossilen Heizungsanlage gleichzusetzen. enercity bietet darüber hinaus Contracting-Modelle und weitere Hilfestellung über den enercity-Fonds proKlima. Mehr Infos zu Wärmepumpen von enercity finden Sie hier.

Ob Fernwärme oder Wärmepumpe – damit das Klima nicht immer wärmer wird, braucht es innovative Lösungen. Und damit diese erfolgreich sein können, müssen alle Beteiligten – Energiedienstleister, Politik und Gesellschaft – an einem Strang ziehen. Wenn die Rohre für die Fernwärme aus erneuerbaren Energien erst einmal verlegt sind, „freuen sich die Kunden immer sehr“, berichtet Tief- und Rohrleitungsbauer Marwan Youssef. Schließlich bleibe es dann für Generationen klimafreundlich warm in den Wohnungen und Häusern. Denn: „Wenn wir die Rohrleitungen verlegt haben, sagt man, dass das für mehrere Jahrzehnte hält.“

Die Vorteile von Fernwärme auf einen Blick

  • Klimaschonende Fernwärme leistet einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz.
  • Nur mit dem Ausbau der Fernwärme wird Hannover sein Ziel der Klimaneutralität bis 2035 erreichen.
  • Mehr Fernwärme für Hannover bedeutet mehr Unabhängigkeit von Erdgasimporten.
  • Weniger Kosten für doppelte Infrastruktur sind ein wirtschaftlicher Vorteil für Hannover.
  • Der Umstieg auf Fernwärme wird gefördert und bietet deutliche Kostenvorteile für die Nutzer.
5. Dezember 2022
Klimaschutz
Hannover
Grüne Wärme

Text: Lea Weitekamp, Dirk Kirchberg, Anne Ruhrmann. Illustrationen: Jörn Kaspuhl.

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