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Smart City

Virtuelle Stadt: Hannover hat einen digitalen Zwilling

Neue Häuser schon vor Baubeginn in ihrer Umgebung betrachten oder am Bildschirm in die Vergangenheit reisen: Das macht Hannovers digitaler Zwilling möglich – eine detailgetreue Kopie der niedersächsischen Landeshauptstadt im Computer. Hannover macht damit den nächsten Schritt auf dem Weg zur Smart City.

Wird die Photovoltaikanlage auf dem Dach des neuen Bürogebäudes ausreichend Sonne bekommen, oder steht sie im Schatten von umstehenden Häusern? Auf welchem Weg lässt sich das Neubaugebiet optimal an das Straßenbahnnetz anschließen? Und wie sah Hannovers Innenstadt eigentlich vor 100 Jahren aus? Diese und ähnliche Fragen beantwortet das Projekt „Hannover 3D“: ein sogenannter digitaler Zwilling der niedersächsischen Landeshauptstadt.

Hinter dem Begriff steckt eine Computersimulation, die Straßen, Plätze und Parks sowie öffentlich zugängliche Räume in Gebäuden dreidimensional als virtuelle Stadt abbildet. Die Grundlage dafür bilden Daten des internen 3D-Stadtmodells, das die Stadt seit 2014 betreibt. Im Smart-City-Modellprojekt „RESTART: #HANnovativ“ soll das Modell zu einer umfassenden Urban-Data-Plattform ausgebaut werden. Diese soll dann alle relevanten Daten maschinenlesbar bereitstellen. Und weil der digitale Zwilling außerdem Daten aus der Vergangenheit speichert, lassen sich damit quasi Zeitreisen unternehmen, um etwa während eines virtuellen Stadtrundgangs das historische Hannover zu besichtigen oder auch Zukunftspläne zu visualisieren.

Auf dem Weg zur Smart City stellt Hannover bei allen technologischen Entwicklungen immer das Menschsein ins Zentrum. Ausgehend von der Innenstadt sollen smarte Lösungen die Stadt zukunftsfest aufstellen, um zentralen Herausforderungen wie dem Klimawandel und der Anpassung an dessen Folgen sowie der Stärkung von gesellschaftlicher Teilhabe zu begegnen. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) fördert die Smart-City-Initiative der Landeshauptstadt Hannover mit gut acht Millionen Euro. Mit dem städtischen Eigenanteil entsteht ein Projektvolumen von etwa 14 Millionen Euro.

Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten

Vollständig ausgebaut bieten Hannovers digitaler Zwilling und die Urban-Data-Plattform eine Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten für Unternehmen oder Verwaltung, Forschende oder Privatpersonen. So lassen sich über das Modell etwa die Schattenwürfe neuer Gebäude schon vor Baubeginn beobachten, Verkehrsflüsse optimieren oder auch touristische Angebote entwickeln. Zudem können interessierte Bürger ganz einfach Informationen über das eigene Umfeld in der Stadt erhalten.

Anwender können wie in einem Navigationssystem das ganze Stadtgebiet betrachten oder auch auf einzelne Gebäude zoomen, um Informationen zum Beispiel zur Höhe, zum Volumen oder zu den Licht- und Schattenverhältnissen im Laufe eines Tages abzurufen.

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Detailgetreu: die am Computer erstellte digitale Kopie der niedersächsischen Landeshauptstadt. Links eingefärbt in Weiß, rechts überzogen mit einer farblichen Textur.

Nächster Schritt zur Smart City

Wie ein dynamischer digitaler Zwilling auf einem begrenzten Areal funktioniert, will Hannover jetzt auf Teilen des Messegeländes erproben – bei dem Projekt 5GAPS. Der Name steht für „5G Access to Public Spaces“, auf Deutsch „5G-Zugang zu öffentlichen Räumen“. Dafür wurde ein Teil des Messegeländes in ein virtuelles Koordinatensystem aus kleinen Würfeln aufgeteilt. Sensoren erfassen in den Würfeln in Echtzeit Raum-, Zeit- und Zustandsinformationen. Durch die schnelle 5G-Übertragung werden diese fortlaufend aktualisiert, es entsteht ein dynamisches Modell. Daraus ergibt sich ein hochpräzises Positionierungssystem, über das sich auf dem Messegelände etwa autonomer Verkehr steuern lässt.

Der digitale Messe-Zwilling wird auf dem neuen Mobilfunkstandard 5G basieren, der auf dem Messegelände eingeführt ist. Was 5G so attraktiv macht, ist die steigende Geschwindigkeit der Datenübertragung. Das Zauberwort heißt Millimeterwellentechnologie. Diese reduziert die Verzögerungszeit zwischen dem Senden und dem Empfangen eines Signals, die zukünftig bei einer Millisekunde liegen soll. Das wird auf Tablets oder Smartphones sogar vor Ort in Echtzeit funktionieren. Per sogenannter Augmented Reality, bei der die Realität auf dem Display um digitale Informationen ergänzt wird, verschmelzen reale und virtuelle Welt.

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) fördert 5GAPS seit 2021 mit fast vier Millionen Euro, dazu kommen rund 750.000 Euro von Partnern aus der Wirtschaft. Zum Konsortium hinter 5GAPS zählen unter anderem die Leibniz Universität Hannover mit diversen Forschungsinstituten, außerdem die Deutsche Messe AG, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft von Stadt und Region, hannoverimpuls, Volkswagen Nutzfahrzeuge, eine Reihe kleiner und mittelständischer Unternehmen sowie Start-ups aus der Region Hannover. Die Simulation erhält darum auch Schnittstellen für Unternehmen, Forschung und Entwickler aus der Start-up-Szene.

Mit seinen Projekten für virtuelle Zwillinge geht Hannover den nächsten Schritt auf dem Weg zur smarten Stadt der Zukunft. „Der Auf- und Ausbau digitaler Infrastruktur ist ein wichtiger Standortfaktor“, sagte Oberbürgermeister Belit Onay zum Projektstart von 5GAPS. „Davon profitieren Wirtschaft, Wissenschaft und die Hannoveranerinnen und Hannoveraner.“

Der digitale Zwilling „Hannover 3D“ ist für jeden offen zugänglich. Er lässt sich kostenlos unter www.hannover-3d.de abrufen. Die dort gezeigten Gebäudemodelle, Geländemodelle und Luftbilder sind unter www.opengeodata-hannover.de verfügbar.

16. Juni 2022
Smart City
Hannover

Text: Florian Sievers. Fotos: Getty Images, ©LHH.

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