Windmühle am Wasser
Vom antiken Windrad zur Offshore-Anlage

Die Geschichte der Windkraft

Seit 2000 Jahren nutzen Menschen die Kraft des Windes auf unterschiedlichste Art und Weise für alle möglichen Zwecke. Erfahren Sie mehr über die Geschichte der Windkraft – von Flügeln aus Holzplanken über den ersten Windkanal bis hin zu kalifornischen Steuergesetzen, die einen kurzen Windkraftboom auslösten.

Antike: Die Ursprünge der Windkraft

Seit mindestens 2000 Jahren nutzen Menschen die Kraft des Windes. Bereits im antiken Persien und in China wurden Windräder eingesetzt, um Korn zu mahlen oder um Wasser zu pumpen. Die „persische Mühle“ wird in fast unveränderter Form sogar noch heute vereinzelt im iranisch-afghanischen Grenzgebiet genutzt. Die Antriebselemente bestanden aus Holzplanken oder Matten, die sich um eine vertikale Achse drehten – wie bei allen Windrädern, die in der Antike entstanden.

antike Windräder

Mittelalter: Das Windrad wird zur Windmühle

Bei den Windmühlen, die sich ab dem 12. Jahrhundert in Europa verbreiteten, drehten sich die Blätter bereits um eine horizontale Achse, wie bei den modernen Windkraftanlagen heute. In dieser Zeit kam auch die Bezeichnung „Windmühle“ auf, obwohl viele Mühlen nicht zum Mahlen, sondern für andere Zwecke eingesetzt wurden, etwa zum Dreschen, Sägen, Hämmern oder zum Pumpen von Wasser. In besonders windreichen Regionen in Norddeutschland, Dänemark und den Niederlanden war die Mühlendichte so hoch, dass sie ganze Landstriche prägte.

Industrialisierung Windräder

Industrialisierung: Blütezeit und Verdrängung

Im 19. Jahrhundert übernahmen zunehmend Dampfmaschinen Aufgaben, die bislang Windmühlen erledigt hatten. Dennoch erlebten Windmühlen nun ihre Blütezeit: Durch die Industrialisierung stieg der Gesamtbedarf an mechanischer Energie massiv an, der Einsatz von Dampfmaschinen war jedoch lange Zeit noch wesentlich teurer als der von Mühlen. So gab es um 1850 in Europa 200.000 Mühlen. In Deutschland, das erst vergleichsweise spät industrialisiert wurde, war die Windmühlendichte mit 20.000 Stück in den 1880er-Jahren am höchsten. Dann aber verdrängten Dampfkraft, Elektro- und Verbrennungsmotoren nach und nach die Mühlen: 1914 gab es in Deutschland noch rund 11.000 Mühlen, im Jahr 1933 waren es weniger als 5000.

Neuzeit: Strom aus Windkraft

Während das Dasein der Windmühlen als Lieferanten mechanischer Energie langsam endete, erkannten Tüftler bereits ein neuartiges Einsatzgebiet: Strom aus Windkraft. Der Schotte James Blyth baute 1887 ein Rad mit einem rund zehn Meter großen Rotor und vier Meter langen Baumwollsegeln, um damit einen Dynamo anzutreiben. Den so erzeugten Strom speiste er in Blei-Akkumulatoren ein. Bei „moderater Brise“ reichte das laut seinen Aufzeichnungen, um zehn 25-Volt-Glühlampen zum Leuchten zu bringen.

Zur selben Zeit erforschte der Däne Poul la Cour die Grundlagen der Windradtechnik mit dem Ziel, die dänische Landbevölkerung mit Elektrizität zu versorgen. 1891 errichtete la Cour auf Jütland den vielleicht ersten Windkanal der Geschichte und entwickelte das Konzept des Schnellläufers, bei dem sich die Spitzen der Flügel in einem höheren Tempo bewegten als der Wind, der sie antrieb. 1918 arbeiteten im ländlichen Dänemark 120 Anlagen, die auf diesem Prinzip beruhten.

1919 formulierte der deutsche Physiker Albert Betz das Betzsche Gesetz. Der Leiter der Aerodynamischen Versuchsanstalt, dem Vorläufer des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, errechnete, dass Windkraftanlagen nur knapp 60 Prozent der mechanischen Leistung des Windes in Nutzleistung umwandeln können. Den genauen Wert erfasste er mit einer „Leistungsziffer“, die als „Leistungsbeiwert“ oder „Erntegrad“ noch heute einer der entscheidenden Parameter bei der Konstruktion von Windkraftanlagen ist.

Der gebürtige Österreicher Ulrich W. Hütter, der sich bereits seit den 1930er-Jahren mit der Windkraft beschäftigte, errichtete 1957 im baden-württembergischen Geislingen die StGW-34: die erste „frei fahrende Windturbine“. Die Anlage mit 34 Meter Rotordurchmesser und einer Nennleistung von 100 Kilowatt gilt als Muster aller modernen Windkraftanlagen.

Neuzeit Windräder

Boom: Dänische Windmühlen für Kalifornien

Die Wurzeln für den ersten Boom der Windkraft in modernen Zeiten liegen aber in Dänemark. Hier entwickelten Ingenieure wie Johannes Juul in den 1950er-Jahren das „dänische Design“, bestehend aus drei Flügeln, einem Getriebe und einem Generator, der den produzierten Strom direkt ins Netz einspeiste. Nach den Ölpreisschocks der 1970er-Jahre bauten zahlreiche Dänen ähnliche Windkraftanlagen für den Eigenbedarf – erst in Heimarbeit, dann in kleinen Betrieben. Als in den 1980er-Jahren in Kalifornien ein Steuerabschreibungsmodell für Windkraft einen Boom auslöste, waren nur dänische Betriebe in der Lage, die Nachfrage rasch zu bedienen. Tausende von Anlagen wurden exportiert. Bis die Rücknahme des Abschreibungsmodells dem Aufschwung ein jähes Ende setzte.

Windrad

Deutschland: Start mit einem Giganten

In Deutschland sollte ein Riese den Beginn der modernen Windkraftnutzung einläuten: 1983 wurde nahe des schleswig-holsteinischen Ortes Marne der „Growian“ errichtet, kurz für „Große Windenergieanlage“. Mit 100 Meter Nabenhöhe, 100 Meter Rotordurchmesser und einer Nennleistung von drei Megawatt war er das damals leistungsstärkste Windrad der Welt. Aber der Gigant, der nur mit zwei Rotorblättern ausgestattet war, entpuppte sich als Fehlkonstruktion: Als er 1987 stillgelegt wurde, hatte er mehr Reparatur- als Betriebsstunden angesammelt.

Noch im selben Jahr nahm dennoch in der unmittelbaren Nachbarschaft des Growian-Geländes der erste Windpark Deutschlands den Betrieb auf: der Windenergiepark Westküste. Seine 30 Anlagen waren nach dänischem Vorbild mit drei Rotorblättern gefertigt – und deutlich kleiner: Zusammen lag ihre Nennleistung bei einem Megawatt.

1991 versetzte das Stromeinspeisungsgesetz der Windenergie in Deutschland dann den entscheidenden Schub, weil es Stromnetzbetreiber verpflichtete, Windkraftstrom zu festgelegten Preisen abzunehmen. Damit lohnte sich nicht nur der Bau weiterer, sondern vor allem auch effizienterer Anlagen. Schon bald bildeten deutsche Unternehmen die technische Spitze in Sachen Windkraft. Sechs Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes waren in Deutschland bereits mehr als 5000 Anlagen in Betrieb.

Offshore: Dänemark unternimmt den ersten Schritt

Während Deutschland die finanziellen Anreize für den Windkraftausbau erweiterte, wagten sich erneut dänische Ingenieure an den nächsten technischen Entwicklungsschritt. 1991 eröffneten sie vor der Insel Lolland den ersten Offshore-Windpark der Welt mit elf Windrädern, die auf Betonsäulen stehen und rund 2200 Haushalte mit Strom versorgen können. 2010 folgt der erste deutsche Offshore-Windpark: Mit 60 Megawatt Nennleistung kann „Alpha Ventus“ rund 50.000 Haushalte versorgen.

Offshore Windräder

Die Zukunft: Windstrom auf der ganzen Welt

In den vergangenen 20 Jahren ist der Bestand an Windkraftanlagen stetig gewachsen, in Deutschland nicht zuletzt durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das 2001 das Stromeinspeisungsgesetz erweiterte. 2021 erzeugten in Deutschland mehr als 28.000 Windkraftanlagen an Land und 1500 vor der Küste gemeinsam 114 Terawattstunden. Das deckt rund ein Viertel des hiesigen Strombedarfs und macht Deutschland zum drittgrößten Windstromerzeuger der Erde – nach China und den USA. Weltweit spielt die Windkraft hingegen noch immer eine kleine Rolle: Bislang deckt sie nur fünf bis sieben Prozent des globalen Strombedarfs. Nach Prognosen des Global Wind Energy Council (GWEC) wäre es jedoch möglich, dass sich der Anteil der Windkraft an der Stromerzeugung bis 2050 auf 30 Prozent erhöht. Vorausgesetzt, dass Unternehmen und Regierungen auf der ganzen Welt in die Kraft des Windes investieren.

Auch enercity setzt auf Windenergie

Erfahren Sie mehr dazu, wie enercity als Berater, Projektentwickler und Eigentümer die Windkraft in Deutschland voranbringt.

6. April 2023
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Text: Claus Hornung. Fotos: Getty Images (3), Heiner Doerner.

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