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Neue Infrastruktur für die Energiewende

Warum muss das deutsche Stromnetz ausgebaut werden?

Seit Jahrzehnten zählt das deutsche Stromnetz zu den stabilsten und besten der Welt. Stromausfälle sind selten und meist nur von sehr kurzer Dauer. Doch die Energiewende stellt völlig neue Anforderungen an unsere Strominfrastruktur. Damit das Netz auch in der klimaneutralen Energiewelt von morgen zuverlässig funktioniert, muss es schnell ausgebaut und modernisiert werden. Ein Überblick.

Die Energiewende in Deutschland gewinnt deutlich an Tempo: Der Anteil der Erneuerbaren wie Sonne und Wind am Stromverbrauch ist im vergangenen Jahr auf rund 44 Prozent gestiegen. Bis Ende dieses Jahrzehnts sollen es nach dem Willen der Bundesregierung bereits 80 Prozent sein. Parallel dazu werden in den nächsten Jahren konventionelle, mit fossilen Brennstoffen betriebene Kraftwerke nach und nach vom Netz gehen, um den Ausstoß von klimaschädlichem CO2 weiter zu reduzieren.

Das Gelingen der Energiewende hängt jedoch nicht allein vom zügigen Ausbau der Erneuerbaren ab. Auch das Stromnetz muss für die saubere, aber hochkomplexe Energiewelt der Zukunft fit gemacht werden. Genau genommen geht es um zwei unterschiedliche Netze mit unterschiedlichen Aufgaben: Das Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsnetz leitet den Strom nahezu verlustfrei von den großen Kraftwerken zu den Verbrauchsschwerpunkten in Ballungsgebieten und großen Industrieregionen. Den Stromtransport in der Fläche zu den Endverbrauchern übernehmen schließlich die engmaschigen Verteilernetze. Wie genau der Strom von den Erzeugungsanlagen bis in Ihr Zuhause gelangt, wird im Artikel „Wie kommt der Strom in die Lampe?“ erklärt.

 

 

 

Doch mit der Energiewende steht die Infrastruktur vor großen Herausforderungen. Denn das System war lange Zeit auf den Betrieb von Großkraftwerken zugeschnitten, deren Ära sich dem Ende neigt. Im Zuge der Energiewende werden diese nach und nach stillgelegt und durch eine Vielzahl kleiner, dezentraler Anlagen ersetzt, die erneuerbaren Strom erzeugen. Dieser grundlegende Wandel in der Stromproduktion hin zu den Erneuerbaren erfordert umfangreiche Anpassungen der Stromnetze. Sie müssen einerseits ausgebaut und andererseits digital aufgerüstet werden, damit sie künftig flexibel gesteuert werden können.

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Strom wird heute nicht mehr nur in Großkraftwerken erzeugt. Im Zuge der Energiewende werden diese durch viele kleinere Anlagen ersetzt. Das macht Anpassungen des Stromnetzes notwendig.
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Kilometer
des deutschen Stromnetzes müssen laut BMWK in den nächsten Jahren erweitert und verstärkt werden.

Aber der Reihe nach. Basis für eine erfolgreiche Energiewende sind zunächst leistungsfähige Übertragungsnetze. Nach derzeitigem Stand müssen sie laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in den nächsten Jahren um mehr als 13.500 Kilometer erweitert und verstärkt werden, damit die Versorgungssicherheit auch in Zukunft gewährleistet ist. Der Ausbau ist schon deshalb notwendig, weil die Stromnachfrage noch in diesem Jahrzehnt erheblich steigen wird. Gründe dafür sind beispielsweise die wachsende Zahl und Nutzung von E-Autos sowie die Umstellung vieler Gebäudeheizungen auf strombetriebene Wärmepumpen.

Eine noch größere Herausforderung für das Netz besteht jedoch darin, den überwiegend im Norden und Osten erzeugten Windstrom zu den industriellen Großunternehmen zu leiten, die vornehmlich im Westen und Süden Deutschlands angesiedelt sind. Für diese Aufgabe braucht es robuste Übertragungsleitungen, sogenannte „Stromautobahnen“.

Die wichtigsten Stromtrassen der Zukunft sind bereits in Planung, darunter SuedLink, das größte Infrastrukturvorhaben der Energiewende in Deutschland. SuedLink besteht aus zwei Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen (HGÜ), die streckenweise parallel vom schleswig-holsteinischen Brunsbüttel über Niedersachsen und Hessen auf rund 700 Kilometern Länge bis nach Heilbronn in Baden-Württemberg beziehungsweise vom schleswig-holsteinischen Wilster ins bayerische Bergrheinfeld/West führen. Sie dienen dazu, den Süden mit klimaneutralem Strom aus den leistungsstarken Windparks in und an der Nordsee zu versorgen. Der Baubeginn für SuedLink ist spätestens 2025 geplant. Nach derzeitigem Stand werden die Trassen bis Ende 2028 fertiggestellt sein.

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Eine zweite HGÜ, die rund 580 Kilometer lange SuedOstLink, wird von Wolmirstedt am Stadtrand von Magdeburg in Sachsen-Anhalt zur Region Landshut in Niederbayern verlaufen. Wie SuedLink soll auch diese Trasse 2028 in Betrieb gehen. Dafür laufen derzeit die Planungs- und Genehmigungsverfahren. Beide Stromautobahnen zählen zu den wichtigsten und größten Infrastrukturprojekten, um die erneuerbaren Energien ins deutsche Stromnetz einzubinden. Sie bilden das Rückgrat der Energiewende und machen sie überhaupt erst möglich.

Das Verteilernetz sammelt grünen Strom ein

Der Umbau der Energieinfrastruktur betrifft jedoch nicht allein die Übertragungsnetze. Auch die Verteilernetze müssen künftig sehr viel mehr leisten, als nur wie früher Strom von den Umspannwerken weiter in die Fläche zu transportieren. Neben ihrer Verteilfunktion dienen sie in Zukunft gleichzeitig als „Sammelnetze“, die klimaneutralen Strom aus der wachsenden Zahl dezentraler Erzeugungsanlagen aufnehmen. Darunter sind beispielsweise kleinere Wind- und Solaranlagen und immer mehr von Privatpersonen betriebene Anlagen, etwa Photovoltaikanlagen. Denn mehr und mehr Verbraucher werden – mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach – zu „Prosumern“ werden: Konsumenten, die nicht nur Strom verbrauchen, sondern zugleich günstig grüne Energie produzieren.

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Weil sie Strom künftig aus zahllosen dezentralen Erzeugungsanlagen wie etwa privaten PV-Anlagen aufnehmen müssen, werden auch die Verteilernetze künftig sehr viel mehr leisten müssen als vor der Energiewende.

Als Folge der zunehmend kleinteiligen Energieerzeugung fließt der Strom in den Verteilernetzen künftig nicht mehr nur in eine Richtung vom Erzeuger zu den Endverbrauchern, sondern „kreuz und quer“. Deshalb muss die Infrastruktur in der Lage sein, den dezentral erzeugten Strom an jedem beliebigen Ort aufzunehmen und zum gewünschten Zeitpunkt genau dorthin zu liefern, wo er gerade benötigt wird – eine hochkomplexe Aufgabe.

Und es wird noch komplizierter: Anders als die großen fossilen Kraftwerke, die je nach Bedarf hoch- oder heruntergefahren werden können, ist die Stromerzeugung durch Sonne und Wind nicht steuerbar. Sie schwankt je nach Tages- und Jahreszeit sowie dem aktuellen Wetter. Dennoch muss die Strominfrastruktur den Energiebedarf jederzeit zuverlässig und störungsfrei decken. Das geht nur, wenn Stromangebot und -nachfrage lokal immer im Gleichgewicht sind.

Smart Grid: Das Stromnetz wird intelligent

Wichtiger Teil des Ausbauprogramms ist es darum, den Netzbetrieb durch smarte Technik zu steuern und zu optimieren. Dafür werden alle Teile des komplexen Energiesystems digital miteinander vernetzt. Ziel ist ein intelligentes Stromnetz, das sogenannte Smart Grid. Es übernimmt die Regie und koordiniert alle Abläufe, von der Erzeugung über den Transport und die Zwischenspeicherung bis zu den Verbrauchsstellen. Wird beispielsweise vorübergehend mehr grüner Strom produziert, als benötigt wird, leitet das Smart Grid die Energie an Stromspeicher weiter und ruft sie von dort wieder ab, sobald die Nachfrage das Stromangebot übersteigt. So gleicht es die schwankende Einspeisung erneuerbaren Stroms ebenso wie Nachfragespitzen flexibel aus und sorgt für eine stabile und sichere Energieversorgung.

Norwegen, der XL-Speicher für unseren Ökostrom

Das Problem: Derzeit gibt es in Deutschland noch nicht genügend Stromspeicher, um überschüssige Sonnen- oder Windenergie „zwischenlagern“ zu können. Mehrere Speicherprojekte sind jedoch in Planung. Abhilfe schafft unterdessen das gut 620 Kilometer lange Nordseekabel NordLink. Seit zwei Jahren verbindet es das deutsche mit dem norwegischen Stromnetz. Hauptaufgabe von NordLink ist es, überschüssigen Windstrom nach Norwegen zu leiten. Dort kann er bei Bedarf sofort verbraucht oder aber dazu genutzt werden, Wasser in höhergelegene Stauseen zu pumpen. Übersteigt die Stromnachfrage das aktuelle Angebot, wird das Wasser wieder talwärts durch Strom erzeugende Turbinen geleitet. Aus dem grünen Windstrom aus Deutschland ist grüner Wasserstrom aus Norwegen geworden, der über NordLink zu uns zurückfließt. So wird Norwegen zu einer Art externem Stromspeicher und schützt unsere Infrastruktur vor Überlastungen. Das bringt hierzulande mehr Stabilität und Versorgungssicherheit.

All diese Maßnahmen – der Ausbau des Stromnetzes, intelligente Steuerungstechnik, moderne Speicher sowie der Energieaustausch mit unseren Nachbarn – sind die Basis für die Reduzierung von klimaschädlichem CO2 bei der Stromerzeugung und das Gelingen der Energiewende. Auch für alle Verbraucherinnen und Verbraucher bringt der Umbau der Strominfrastruktur viele Vorteile. Er ist der Garant für eine zuverlässige, günstige und unabhängige Energieversorgung.

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12. Mai 2023
Erneuerbare Energien
Ökostrom

Text: Jens Lehmann. Fotos: Getty Images.

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