Ansicht von Hannover
Geothermie-Weltpremiere im urbanen Raum

Eavor und enercity machen Hannover zum Wärmepionier

Hannover schreibt Wärmewende-Geschichte: Als erste Großstadt weltweit setzt die Landeshauptstadt auf den Eavor-Loop™ – ein neuartiges, geschlossenes Tiefengeothermiesystem, das völlig unabhängig von unterirdischen Heißwasserreservoirs funktioniert. Das Projekt von enercity und Eavor ist ein zentraler Baustein für den Kohleausstieg der Stadt und könnte zum Modell für viele weitere Kommunen in Deutschland werden.

Die Zukunft der Geothermie beginnt in Hannover-Lahe: Hier wird derzeit eine der innovativsten Anlagen weltweit zur Gewinnung von Erdwärme aus der Tiefe geplant. Erstmals könnte es mit dem sogenannten Eavor-Loop™ möglich werden, Tiefengeothermie dort zu nutzen, wo sie gebraucht wird – und nicht nur dort, wo es natürliche Warmwasserreservoirs im porösen Gestein in der richtigen Tiefe gibt. Die technische Revolution: Flüssigkeit zirkuliert in einem geschlossenen System, nimmt Erdwärme aus dem Untergrund auf und gibt sie direkt ins hannoversche Fernwärmenetz wieder ab.

„enercity ist Frontrunner der Energie- und Wärmewende. Deshalb bringen wir mit unserem Partner Eavor diese innovative Technologie für Geothermie erstmals in eine deutsche Großstadt“, sagt die enercity-Vorstandsvorsitzende Aurelié Alemany und betont: „Gemeinsam treiben wir nicht nur das Projekt in Hannover voran, sondern gestalten aktiv die Energiezukunft in Norddeutschland zusammen mit Partnern vor Ort und unserer exklusiven Kooperation mit Eavor. Denn wer in die Wärmewende investiert, investiert in regionale Wertschöpfung und Versorgungssicherheit für den Wirtschaftsstandort.“

Die Baustelle vom Eavor Loop in Geretsried aus der Vogelperspektive
Pilotprojekt in Geretsried: In der Nähe von München entsteht das erste kommerzielle Eavor-Loop Projekt in Deutschland. Die erste großstädtische Anwendung dieser Art wird derzeit in Hannover-Lahe geplant.

Geothermie neu gedacht: Der Eavor-Loop™ als Gamechanger

Tiefengeothermie gilt als eine der vielversprechendsten klimaneutralen Wärmequellen. Da sie unabhängig von Wetter und Tageszeit kontinuierlich erneuerbare Energie aus dem heißen Gestein tief unter der Erde liefert, bietet sie eine verlässliche Grundversorgung und erhöht damit die Versorgungssicherheit. Der Eavor-Loop™ ist in erster Linie eine Grundlasttechnologie, die Hannovers Fernwärmenetz rund um die Uhr zuverlässig mit erneuerbarer Energie versorgt.

 Anders als oberflächennahe oder mitteltiefe Geothermie ist die Tiefengeothermie darüber hinaus für die Gewinnung von Fernwärme im industriellen Maßstab geeignet.

Die drei Arten der Geothermie
  • Oberflächennahe Geothermie (bis ca. 400 m, bis 25 °C): ideal zum Heizen und Kühlen einzelner Gebäude.
  • Mitteltiefe Geothermie (400–2000 m, 40–60 °C): meist mit Wärmepumpen kombiniert, um Fernwärmetemperaturen zu erreichen.
  • Tiefengeothermie (ab ca. 2000 m, über 100 °C): für Fernwärme im industriellen Maßstab geeignet.

Das Besondere an der in Hannover geplanten Anlage: Bei ihr kommt die innovative Eavor-Loop™-Technologie zum Einsatz. Und die ist ein echter Gamechanger in Sachen Tiefengeothermie, denn sie kommt ohne das sogenannte Fündigkeitsrisiko aus – also ohne das Risiko, dass eine Bohrung ins Leere geht, weil kein heißes Thermalwasser gefunden wird. Der Eavor-Loop™ benötigt nämlich kein natürliches Heißwasser. Insofern ist die Technologie eine Weiterentwicklung der herkömmlichen Geothermie, bei der Bohrungen nur sinnvoll sind, wenn 100 bis 200 °C heißes Wasser in erreichbarer Tiefe vorkommt.

Außerdem müssen bei traditionellen Methoden auch die geologischen Voraussetzungen stimmen. Das heißt zum Beispiel, dass es poröse und durchlässige Gesteinsschichten geben muss, die Wasser führen und leiten können. Auch das ist mit der Eavor-Loop™-Technologie nicht notwendig. Der Eavor-Loop™ ist also im Prinzip standortunabhängig.

Dazu kommt: Verglichen mit anderen erneuerbaren Energieanlagen ist der Flächenverbrauch der Anlage sehr klein, der geografische Fußabdruck also gering. Daher kann die umweltfreundliche Erdwärme aus der Tiefe direkt in die Stadt geholt werden – wichtig für die urbane Wärmewende.

„Mit diesem Projekt schreiben wir ein neues Kapitel der Energiewende. Die Eavor-Loop-Technologie ist ein echter Gamechanger für den Wärmesektor, der Realität wird“, sagt Marco Becker, Geschäftsführer der Eavor GmbH. „Wir freuen uns darauf, mit unserer Technologie einen Beitrag dazu zu leisten, einen bedeutenden Teil der Grundlast der Fernwärmeversorgung der Stadt Hannover auf erneuerbare und unabhängige Energie umzustellen.“

Erdwärmegewinnung in einem vollständig geschlossenen Rohrkreislauf

Statt Grundwasser oder Dampf aus unterirdischen Heißwasservorkommen zu fördern – wie es beispielsweise in Island oder auf Hawaii geschieht –, zirkuliert im Eavor-Loop™ ein wasserbasiertes Arbeitsmedium. Diese Flüssigkeit ist umweltfreundlich, da sie sehr gut biologisch abbaubar ist. Ökologisch unbedenklich macht das im Eavor-Loop™ zirkulierende Arbeitsmedium auch die Tatsache, dass die von Eavor entwickelte Bohrlochversiegelung (Rock-Pipe) dafür sorgt, dass der Bohrungskreislauf vollständig geschlossen ist und das Medium zum einen sicher im Loop verbleibt. Zum anderen können auch keine Stoffe aus dem Gestein in das Arbeitsmedium eindringen. Korrosions- oder Ablagerungsprobleme durch mineralisiertes Tiefenwasser treten daher nicht auf.

Dieser Bohrungskreislauf verläuft von der Erdoberfläche aus zunächst vertikal bis in 3250 Meter Tiefe, wird dort fast horizontal abgelenkt und in mehrere parallel verlaufende Seitenbohrungen (sogenannte Laterale) aufgefächert. Diese werden jeweils an ihren Enden miteinander zu sogenannten Schleifen verbunden. Dieses auch als Wärmetauscherzone bezeichnete System aus einer Vielzahl von lateralen Bohrungen liegt im heißen Gestein – in Hannover herrscht in dieser Tiefe etwa eine Temperatur von 150 °C. Die Bohrstrecke wird insgesamt 120 Kilometer betragen. Eine spezielle Auskleidung der Rohre (Rock-Pipe™) verhindert jeden direkten Kontakt zwischen Arbeitsmedium und umgebendem Gestein.

Auf einen Blick: Die Vorteile von Tiefengeothermie in geschlossenen Systemen
  • Reservoirunabhängig – keine geologischen Heißwasserreservoirs und durchlässiges Gestein (Permeabilität) nötig.
  • Standortflexibel – Errichtungsort richtet sich nach Bedarf.
  • Kein Fündigkeitsrisiko – funktioniert unabhängig vom Untergrundwasser und von Wasserwegsamkeiten des Gesteins.
  • Erneuerbar – Erdwärme geht niemals aus.
  • Umweltfreundlich – kein Kontakt mit mineralisiertem Tiefenwasser, keine chemische Aufbereitung.
  • Kleiner Flächenverbrauch – benötigt deutlich weniger Platz als viele andere Erneuerbare.

Die Erdwärmegewinnung mit dem Eavor-Loop™ funktioniert zudem ohne Pumpen: In der Wärmetauscherzone tief im heißen Gestein erwärmt sich das wasserbasierte Arbeitsmedium. Durch die höhere Temperatur dehnt es sich aus, das Volumen nimmt zu, und die Dichte sinkt. Deshalb steigt es nach oben, wo es an der Oberfläche in einem Wärmetauscher seine Energie abgibt, die ins Fernwärmenetz eingespeist wird. Durch die Abkühlung schrumpft das Volumen des Arbeitsmediums, die Dichte steigt wieder, und das Medium sinkt zurück in die Tiefe. Dieser natürliche Kreislauf wird Thermosiphon-Effekt genannt und ähnelt dem Prinzip einer Lavalampe oder einer Schwerkraftheizung.

Jeder Eavor-Loop™ kann je nach Auslegung zwischen 15 und 40 Megawatt Wärmeleistung liefern und so zuverlässig und wetterunabhängig CO₂-freie Energie bereitstellen. Damit wird die Tiefengeothermie zu einer verlässlichen Säule der hannoverschen Wärmewende und ergänzt wetterabhängige erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie optimal.

Was das Projekt in Hannover so besonders macht

Mit dem Eavor-Loop™ wird Hannover weltweit zur ersten Großstadt mit klimaneutraler Fernwärme aus einem geschlossenen Tiefengeothermiesystem. Hannover nutzt damit eine wichtige Schlüsseltechnologie, die sowohl für die Versorgungssicherheit als auch für den Klimaschutz erhebliche Vorteile birgt. Ersteres, weil sie ausschließlich inländische Ressourcen nutzt, was Deutschland unabhängiger von globalen Märkten und kritischen Rohstoffen macht.

Seismik Truck Geothermie
Vibotruck auf Messfahrt: Mit Hilfe von Schallwellen erkundet der sogenannte Vibotruck die tiefengeologischen Verhältnisse im Umfeld des Geländes in Hannover-Lahe.

 „Wir freuen uns, einen weiteren Schritt in Richtung Wärmewende zu gehen und hier in Hannover ein Geothermieprojekt ansiedeln zu können, das Maßstäbe setzt“, sagt Anja Ritschel, Dezernentin für Wirtschaft und Umwelt bei der Landeshauptstadt Hannover. „Es ist in Deutschland in dieser Art einzigartig. Das Projekt leistet einen wichtigen und innovativen Beitrag zum Klimaschutz.“

Warum klimaneutrale Wärme so wichtig ist

Die Energiewende ist ohne die Dekarbonisierung des Wärmesektors nicht zu schaffen: Schließlich entfallen mehr als 60 Prozent des Endenergieverbrauchs in Deutschland auf den Wärmesektor, und rund 40 Prozent aller CO₂-Emissionen hierzulande entstehen durchs Heizen und die Warmwasseraufbereitung. Das Problem: Wärme stammt bei uns zumeist noch aus fossilen Quellen wie Kohle, Öl oder Erdgas. Um bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu werden, muss die Wärmegewinnung in Deutschland auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Hierzu erstellen Städte und Gemeinden in ganz Deutschland derzeit eine kommunale Wärmeplanung, die eine treibhausgasneutrale Wärmeversorgung gewährleisten soll.

enercity ist in Hannover die treibende Kraft bei der Wärmewende. Der Weg dorthin führt über den Ausstieg aus der Kohle. Das Unternehmen investiert mehr als eine Milliarde Euro in den Bau von insgesamt 14 erneuerbaren Anlagen zur Wärmeerzeugung, die das letzte Kohlekraftwerk von enercity in Hannover-Stöcken ersetzen sollen. Ziel ist es, dass ab 2028 etwa 75 Prozent der Fernwärme der niedersächsischen Landeshauptstadt aus klimaneutralen Quellen stammen. Im Jahr 2035 soll die Quote bei 100 Prozent liegen.

Hannover packt’s an: Klimaneutral bis 2040

Sie möchten mehr über die Wärmewende in Hannover erfahren? Und Sie interessieren sich dafür, wie enercity mit klimafreundlichen Lösungen die Wärmewende vorantreibt? Unsere Themenseite zur Wärmewende gibt Auskunft.

Jetzt informieren!
3. September 2025
Erneuerbare Energien
Hannover
Grüne Wärme

Text: Elena Rudolph. Fotos: Shutterstock, Eavor-Loop (2), enercity.

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